Da scheint was durch…
Veronika Smoor (https://smoorbaer.wordpress.com/) hat freundlicherweise zugestimmt, dass wir ihre Gedanken auf unserer Homepage teilen:
“Wenn es stimmt, dass man eigene unerfüllte Wünsche auf seine Kinder überträgt – na, dann Bingo!
Vor einem Jahr habe ich Josefine beim Ballett angemeldet. Und dieses Wochenende war sie gemeinsam mit ihrer Freundin Teil einer gewaltigen Tanzproduktion auf der großen Theaterbühne Heilbronns. Mein Mutterherz war fett angeschwollen und das Leben schmeckte nach Champagner. Ich fühlte mich, als wäre ich wieder 13: Unfähig, meine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. 90 Minuten lang saß ich auf der Sitzkante, mein fettes Mutterherz wild klopfend. Tänzerinnen von ganz klein bis zum Profi führten vor ausverkauftem Haus ein Stück mit klassischem Handlungsstrang (Gut gegen Böse) auf. Feen wirbelten zart herum, Eulen trippelten zu dramatischer Musik, Raben schlugen ihre Flügel, Zwerge hüpften mit wippenden Mützchen und roten Bäckchen über die Bühne, Ballerinas entfalteten ihre Grazie. Und ich saß auf meiner Sitzkante und heulte. Ich schluchzte natürlich besonders gerührt auf, als Josefine als Glühwürmchen im weißen Tutu und mit Licht auf dem Kopf schüchtern über die Bühne tanzte. Dieses mutige, ätherische Wesen. Auch bei allen anderen Tänzen hatte ich eine Ladung unterdrückter Schluchzer parat. Das macht Schönheit mit mir. Mein Herz schwillt auf dreifache Größe an, ich krieg Pipi in den Augen und ich spüre Gott. Die spirituellen Profis nennen das Transzendenz: Gott scheint durch.
Es muss noch nicht mal der Name Gott fallen und trotzdem scheint er für mich im Tanz, in guter Literatur, in einem Musikstück, auf einem Gemälde und einer Fotografie durch. Auf einem durch und durch zerbrochenem Planeten, voller zerbrochener Wesen, kämpft sich Schönheit immer wieder an die Oberfläche. Wie ein zartes Signal: Ichbinda! Ichbinda! Ichbinda!
Oh, was bin ich dankbar für alle Menschen da draußen, die Schönheit schaffen. Ihr Gärtner und Designer, ihr Schriftsteller und Maler, ihr Tänzer und Schauspieler, ihr Bühnenbildner und Schneider, ihr Töpfer und Weber, ihr Fotografen und Pianisten, ihr Sänger und Grafiker. Macht bitte bitte immer weiter!
Und wenn es dich schon immer juckt, Schönheit zu schaffen, dann hör auf vor dem Spiegel zu tanzen. Geh nach draußen. Zeig dich. Tanze, als gäbe es kein Morgen. Schreibe, als würdest du bluten. Singe, als wolltest du einen Gletscher schmelzen.
Nach drei Vorstellungen schläft jetzt mein Kind einen erschöpften Schlaf. Ich packe ihre Tanzschuhe, Kuscheltier, Strumpfhose und Haarbänder aus. Morgen will sie wieder tanzen. Hier daheim. Vor dem Spiegel.”
Wo siehst du Gott (durch) scheinen?