Luther in Rom
In den vorletzten Beiträgen ging es um die Päpste vor der Reformation. Zu Luthers Zeit hatten die sich ja gerade in Rom wieder fest etabliert. Einmal musste auch Luther (oder da noch Martin Luder) den Weg nach Rom antreten. Diesen Besuch schauen wir uns in diesem Beitrag etwas genauer an.
Zuerst stellt sich die Frage, wie kommt der einfache Augustinermönch Martin Luder, der fünf Jahre im Kloster, noch kein Universitätsprofessor und noch lange kein Reformator war, nach Rom? Eine Reform war im weitesten Sinne der Grund dafür, dass Martin Luder von Erfurt nach Rom „latschen“ musste. Der Ordensgeneral der Augustinereremiten in Rom, Egidio da Viterbo, hatte sie in Gang gesetzt. Diese Reform sah vor, dass die Mönche sich nur noch innerhalb der Klostermauer aufhalten durften, auf jeglichen persönlichen Besitz verzichten, eine einheitliche Kutte tragen und jeglichen Kontakt zu Frauen abbrechen sollten.
Die Folge war, dass die Mehrzahl der 29 Augustinerklöster in der „Provinz Saxonia“ diese Reform ablehnten und eine Abschwächung forderten. Doch es gab auch Hardliner die dies befürworteten. Das Erfurter Kloster, in das Martin Luder eingetreten war, gehörte neben sechs anderen dazu. Sie erhofften sich Unterstützung vom Papst gegen die Aufweichung der strengen Regeln.
So wurde ein älterer Bruder, der fließend italienisch sprach, ausgewählt und sollte das Anliegen in Rom vorbringen. Da es zu gefährlich und zu beschwerlich gewesen wäre, allein nach Rom zu gehen, brauchte er eine Begleitung. Die Wahl fiel auf den 27jährigen Martin Luder. Gründe dafür können wohl nur spekuliert werden: War es, weil ein junger Begleiter gebraucht wurde oder weil er schon akademische Grade hatte oder weil er in seinem Kloster zu viel grübelte… Egal warum, er musste die 1500 km mitgehen. Er wird es nicht ungern getan haben, denn Rom war das Zentrum der Christenheit und Luder ständig in Angst um sein Seelenheil. So eine Pilgerreise versprach da einiges.
Der Fußweg erst durch halb Deutschland, die Schweiz und die Lombardei war sehr anstrengend. Als sie endlich die Silhouette von Rom erblicken, wirft sich Martin Luder zu Boden und ruft aus:“ Sei gegrüßt, du heiliges Rom, ja rechtschaffen heilig, von den heiligen Märtyrern und ihrem Blut das vergossen ist!“ Es ist das Jahr 1511. In zehn Jahren wird er Luther heißen und anders reden, zum Glück nicht in Rom.
Der Zeitpunkt zu dem die beiden Mönche in Rom eintrafen, war ein sehr ungünstiger, denn Papst Julius führte wieder Krieg und alle hohen Würdenträger begleiteten ihn, auch Egidio da Viterbo der Ordensgeneral der Augustiner. Also hieß es für die zwei Sachsen erst einmal warten. Martin Luder war jetzt Pilger und Tourist. Die Begeisterung für die Stadt wird schnell gewichen sein. Denn Rom war zu der Zeit eine Großbaustelle und eine Kloake – um und in den antiken Ruinen weideten Rinder.
An Sehenswürdigkeiten war Luder aber kaum interessiert, es ging ihm eher um sein Seelenheil. Er verbrachte viel Zeit im Gebet in den Kirchen Roms. Es schockierte ihn aber sehr, wie mangelhaft die italienischen Geistlichen ausgebildeten waren und mit welcher Hast und Eile sie die Messe zelebrierten. Oftmals stand der deutsche Mönch den italienischen Klerikern im Weg, die ihn dann mit einem „Passa, Passa!“ (einem „Weg, Davon!“) von den Altären vertrieben. An allen Ecken und Enden florierte des Papstes Trödelmarkt: Neben Heiligenbildern, Rosenkränzen oder Reliquien konnten Pilger an langen Tischen Ablässe für Betrug, Mord und Ehebruch erwerben. Doch noch ist Luder nicht darüber entsetzt. Er lässt dort auch eine Menge Geld. Wer weiß, wo er es her hat. Im Lutherfilm mit Josef Fines ist das schön dargestellt. Bei der Großen Wallfahrt musste er sieben große Kirchen an einem Tag aufsuchen. Das war wegen der großen Distanz nicht einfach. Eine davon ist die älteste Papstkirche Roms mit der Heiligen Treppe. (Die Treppe ist angeblich Jesus im Palast von Pilatus hinaufgestiegen und sie wurde später nach Rom geschafft). Dort rutschen auch heute noch Pilger auf Knien hinauf, auf jeder Stufe wird ein „Vaterunser“ gebetet. Zuletzt musste Luder zu einer Baustelle pilgern – zum Petersdom und auch hier spendet er. Er ist noch lange kein Reformator.
Nach vier Wochen des Wartens waren Papst u. Gefolge wieder in Rom und sie konnten ihr Anliegen dem Ordensgeneral vorbringen. Doch dieser lehnte es ab sich noch direkt an den Heiligen Vater wenden zu dürfen. Der Versuch beim Kirchenoberhaupt persönlich Unterstützung für ihre harte Linie zu bekommen, war also gescheitert und sie konnten nur mit ein bisschen Rückenwind den Heimweg antreten: Bei dem Streit um die Auslegung der Ordensregel setzten sich die sieben Hardlinerklöster durch.
Martin Luder war nach seiner Romreise auf die Gegenseite gewechselt. Dies soll einer der Gründe gewesen sein, warum er nach Wittenberg kam. Doch die Rompilgerreise hat noch keinen „Martin Luther“ und noch keinen Reformator hervorgebracht. Als solcher sollte er noch einmal nach Rom, was ihm dank seines Landesherrn „Friedrich des Weißen“ erspart blieb, denn von dieser Reise wäre er wohl nicht mehr zurückgekehrt. Er hat später gesagt:„Ich habe mit eigenen Augen gesehen, dass Rom der Sitz des Teufels und der Papst ärger als der Türke ist.“ Doch das wird er rückblickend in seinen Glaubenskampf eingeordnet haben. Den Anlass für die 95 Thesen hatte er wohl eher im Deutschen Reich. Doch dazu später mehr.
Quelle: P.M.HISTORY Juni 2005