Zeit für Veränderung
Ist das ein Wort, was man gerne hört? Ja, es gibt Veränderungen, denen wir durchaus positiv entgegen sehen z.B. heiraten, eine eigene Familie gründen, Umzug oder eine neue Arbeitsstelle.
Dann sind da aber auch Veränderungen, die wir eigentlich gern vermeiden würden, wir wissen aber um deren Notwendigkeit. Am härtesten treffen uns wohl Veränderungen, die uns passieren, in die wir hineinrutschen. Wir müssen uns darauf einstellen, ohne eine Möglichkeit aktiv handeln zu können. In so einem Veränderungsprozess stecken wir ja seit den letzten Jahren alle drin. Für den einen bedeutet das nur Einschränkung, während es für andere ziemlich herb kommt. Wie geht es jetzt den Händlern, die im vergangenen Jahr auf einen Weihnachtsmarkt gehofft haben und jetzt ohne Einnahmen vielleicht mit Schulden dastehen? So eine Lage ist bescheiden und kann auch nicht beschönigt werden. Es bleibt also festzuhalten: Veränderungen können erstmal ziemlich
schmerzhaft sein, und wenn man kann, findet man bestimmt 1000 Gründe sie zu vermeiden.
Unsere biblichen Hauptfiguren waren davon auch betroffen.
Abraham: „Geh, Abraham, Geh, in ein neues Land.“ Da war er schon hochbetagt.
Isaak: Er musste erst mehrere Brunnen graben, bevor er den richtigen Platz fand und mit seinen Söhnen kam es auch anders als er es geplant hat.
Jacob: Durch sein intrigantes Verhalten, weil er der Erste sein wollte, geht er zu weit und muss sich erstmal örtlich verändern. In seiner neuen Umgebung werden dann nochmal seine Pläne von einem genauso intriganten Verwandten durchkreuzt. Es dauert lange bis er bekommt, was er will.
Josef: Er denkt, es ist ihm verheißen einmal Chef im heimischen Nomadenclan zu werden. Er landet aber erstmal mit Todesangst im Brunnenloch, dann als Sklave in Ägypten, aus gehobener Hausanstellung heraus in den Knast. Erst von dort zum ersten Minister und Retter vieler, die einer Hungersnot ausgesetzt sind. Er bewirkt in dieser Rolle noch eine letzte gravierende aber positive Veränderung für seinen Vater Jacob.
Mose: Erst Prinz von Ägypten, dann Flüchtling und als Schafhirte in Midian angekommen. Dort begegnet ihm Gott und beauftragt ihn: „Geh mal wieder nach Ägypten und sage dem Pharao, er soll mein Volk freilassen.“ Und dann geht’s durch das rote Meer und durch die Wüste in Richtung gelobtes Land. Mose sind da schon ein paar Ausreden eingefallen, warum er das nicht will bzw. tun kann. Aber wenn Gott etwas plant, gibt es keine Diskussion. Daraufhin führt Mose nochmal ein
Volk das sich mit Veränderungen auch schwer tut.
Ruth: Der Tod des Ehemannes ist ja erstmal eine tragische Veränderung. Aber dann folgt sie auch noch ihrer Schwiegermutter in die Fremde und eine ungewisse Zukunft. Sie konnte niemals ahnen, dass sie die Urgroßmutter eines der größten jüdischen Könige wird.
David: Der wird vom Hirte zum Kriegsheld und dann zum Gejagten seines einstigen Förderers. Einige Psalmen erzählen, was er da durchgemacht hat.
Es gibt noch mehr Beispiele im Alten Testament und es ist auch sehr interessant, wie Jesus im neuen Testament Veränderung bewirkt und nahelegt. Ein Teil seiner Jünger lässt jedenfalls die Netze fallen, die wichtigsten Arbeitsmittel der Fischer. Sie lassen also auch ihre Identität fallen. Der Zöllner hört auf für die Besatzungsmacht zu arbeiten und geht mit den Leuten mit, bei denen er gar nicht beliebt ist. Dazu gesellt sich noch der Zellot, der gerne die absticht, für die der Zöllner arbeitet.
Dass die beiden Charaktere in einem Team spielen ist eigentlich unmöglich.
Solche Veränderungen bewirkt nur Jesus, aber er fordert auch heraus. Den reichen Jüngling fragt er:
„Wie sieht es mit deiner Nachfolge aus, wenn ich zu dir sage: ‘Trenne dich von Allem.’?“
Interessant ist auch seine Reaktion auf diese Aussage: „Lass mich erst meinen Vater begraben, dann will ich dir folgen.“
Jesus: „Lass die Toten ihre Toten begraben und wer Vater und Mutter um meinetwillen nicht hasst, ist meiner nicht würdig.“ Das versteht Keiner. Hier handelt es sich aber nicht um einen Vater, den der Sohn nicht bestatten und betrauern darf, was ja sehr wichtig ist. Und nachts sollen die Gebeine aus dem Friedhof kommen und die Leiche mitnehmen? So ist es nicht. Der Vater ist noch lebendig, nur geistig tot, weil er für die Veränderung seines Sohnes kein Verständnis aufbringen kann. Der Sohn meint, der Vater muss erst unter der Erde sein, bevor ich mich lösen kann. Mit „hassen“ meint Jesus hier du musst jetzt eine Entscheidung treffen, denn wenn dein Vater tot ist, findest du andere
Gründe, die dich aufhalten. Du musst jetzt heraus aus deiner Kompfortzone.
Alle, von denen hier die Rede war, haben das gemeinsam: Raus aus der Kompfortzone und eine neue Perspektive gewinnen.
Leo Bigger hat in einer seiner letzten Predigten wieder mal das Beispiel gebracht, wie ein junger Adler fliegen lernt. Der Jungvogel sitzt am Anfang gemütlich im Nest und bekommt sein Futter gebracht, es fehlt ihm an nichts. Für was braucht er eine Veränderung? Doch irgendwann meint der Altvogel, ein Adler sei dazu bestimmt zu fliegen, deshalb
schmeiß ich dich mal aus dem Nest. Zuerst verhindern seine Flügel nur, dass er nicht wie ein Stein fällt, fliegen ist das aber noch nicht. Kurz bevor es gefährlich wird, kommt der Altvogel unter ihn, fängt ihn auf und trägt ihn sicher nach oben. Dort kann der Jungvogel aber nicht bleiben. Die Übung wird wiederholt bis er merkt – meine Flügel tragen mich. Erstmal bis zum nächsten sicheren Halt, von dort kommt er schon allein weiter und irgendwann steigt er auf. Was sieht er jetzt? Nicht nur den Felsen gegenüber und die Schlucht unterhalb von seinem Nest. Auch nicht nur den Himmel über ihm. Nun sieht er das ganze Gebirge, eine neue und größere Perspektive.
Soll das nun heißen jeder muss raus aus seiner gewohnten Umgebung – Haus, Dorf, Stadt,
Arbeitsstelle? Ab in ein neues Land? Jeder kann sich fragen, was seine persönliche Komfortzone ist, aus der er vielleicht heraus müsste, um eine größere Perspektive zu bekommmen. An der Stelle muss nun nochmal die Geschichte von Josef kommen, der nach langem Abwärts weit oben angekommen ist. Es gibt aber leider nicht nur solche Geschichten. Dietrich Bonhöfer hat auch seine Sicherheit in Amerika verlassen, jedoch seine Bemühungen, den Nazihorror zu bekämpfen, waren nicht sichtlich erfolgreich. Das Ende der Geschichte ist bekannt. Daraus lässt sich auch kein gutes Ende pressen.
Fakt ist aber er hatte eine größere Perspektive, die über sein Leben hinausreichte. Auch das kann heute noch Mut machen.
Und Gott hat immer die Adlerperspektive.