Frau Gerechtigkeit und Herr Neid
Gedanken zur Predigt von Pfr. Großmann am 01.02.2015
„Emotionales Verübeln der Besserstellung Anderer“ – NEID. Bin ich neidisch? Oh ja. Neidisch auf Andere, die mehr haben. Mehr Geld, mehr Talent, manchmal auch mehr freie Zeit. Ist das schlimm? Es ist menschlich.
Neid hängt auch immer mit einem Gerechtigkeitsempfinden zusammen: Ist es gerecht, dass es mir schlechter geht als anderen? Die Frage, die man sich hier stellen sollte, ist, ob man nach oben oder nach unten schaut. Ich treffe täglich Leute, auf die ich neidisch sein kann. Aber auch täglich Leute, denen es weit schlechter geht als mir. Im Vergleich mit den über sieben Milliarden Menschen auf unserer Erde liege ich vermutlich in den oberen 5%. Ist das gerecht?
Auch im Glauben stellt sich die Gerechtigkeitsfrage: Ist es gerecht, dass einer, der am Tag nur eine Stunde arbeitet, den gleichen Lohn empfangen kann wie einer, der den ganzen Tag arbeitet (nach MT 20, 1-16). Ist es gerecht, dass einer, der sein ganzes Leben z.B. als Missionar in den Dienst des Glaubens stellt, denselben Lohn empfängt wie einer, der sein Leben erst spät an Jesus übergibt? GOTT ist gerecht. Und er ist barmherzig und gnädig. Er misst nicht mit menschlichen Maßstäben. Und er lässt sich nicht nach menschlichen Maßstäben messen. Entscheidend, und das ist meine Quintessenz aus der Predigt, ist nicht, wie lange man arbeitet (um in obigem Bild zu bleiben), sondern, dass man sich von GOTT überhaupt in die Arbeit rufen lässt. Und dann wird man sich auch mit Gewissheit auf einen gerechten Lohn freuen dürfen.
Wenn ich das nächste Mal einem bessergestellten Anderen etwas emotional verübele, kurz neide, wünsche ich mir, dass ich dann meinen Blick zurück auf mich und das Gute in meinem Leben wenden kann.
„Das christliche Leben besteht nicht im Sein, sondern im Werden, nicht im Sieg, sondern im Kampf, nicht in der Gerechtigkeit, sondern in der Rechtfertigung.“
Martin Luther
Ich habe mir die Frage gestellt, ob Gott überhaupt von uns verlangt, dass wir von früh bis abends hart in seinem Weinberg arbeiten. Vielleicht sind lange erholsame Pausen erlaubt, vielleicht ein langes Gepräch mit dem Besitzer oder auch ab und an ein Innehalten und ein Sich-Freuen, dass man im Weinberg arbeiten darf? Ich bin auf andere oft neidisch, wenn ich mir selbst nicht viel gönne, wenn ich strebsam auf meinen Lohn hinarbeite und dabei die schönen Momente verpasse, weil ich mir einfach keine Zeit dafür nehme. Ich glaube, dass Gott uns erlaubt, eine gute Zeit im Weinberg zu verbringen und dass arbeiten bis zur Erschöpfung nicht in seinem Sinne ist. Wenn die anderen später kommen, den gleichen Lohn erhalten, möchte ich sagen können: Ich bereue die Zeit im Weinberg nicht. Sie war wertvoll und ich habe so viel mehr erhalten als nur den materiellen Lohn!